Befragung der für den Stadtrat kandidierenden Gruppierungen zu Themen der Oststadt

Veranstaltung des OBV am 16. April im Pizzahaus


Alle 10 bei der Gemeinderatswahl 2019 antretenden Gruppierungen waren vertreten.

Beitrag des OBV Vorsitzenden Dr. Jürgen Scherle
Folgende drei Themen wurden zur Einführung in die jeweilige Fragerunde vom 1. Vorsitzenden des Bürgervereins Herrn Dr. Scherle folgendermaßen erläutert:

Innenverdichtung kontra Klimaanpassung
Als relativ alter Stadtteil, der Ende der 1880er Jahren begonnen wurde, ist ein großer Teil der Bebauung der Oststadt als geschlossene, meist 4 stöckige Blockrandbebauung ausgeführt. Während anfangs total geschlossene Blöcke gebaut wurden, wurde von der Lutherkirche bis zur Tullastraße dann zumindest nach 2-3 Häusern eine Gebäudelücke gelassen. Innerhalb der Blöcke waren nur zweistöckige Gebäude zugelassen. Das Negativbeispiel der Südstadt mit ihrer wilden und ungesunden Bautätigkeit sollte vermieden werden. Im innern der Blöcke ist ein Luftaustausch nur eingeschränkt möglich. Die dichte Bebauung mit großer Baumasse und äußerst geringem Grünflächenanteil und der große Abstand zu Freiland lässt die alten zentralen Stadtteile mit Blockrandbebauung zu hot spots, d.h.zu den heißesten Bereichen von Karlsruhe werden. In denen wird für das Ende des Jahrhunderts vorausgesagt, dass die Anzahl der Hitzetage mit über 30 Grad C sich nahezu verdoppeln und die tropischen Nächte mit Abkühlung nicht unter 20 Grad sich vervierfachen . Die Grünflächen reiche Gartenstadt hat dann Verhältnisse wie heute die Innenstadt, die Innenstadt wird zum Glutofen! Dem kann nur mit Rückbau bzw. Entkernung niederwertiger Hüttenwerke und nachfolgender Begrünung entgegengewirkt werden. Die üblicherweise geforderte Dachbegrünungen mit geringer Bodendicke und niederwüchsiger Vegetation ist im Hochsommer ausgebrannt und klimatisch nahezu unwirksam.
Während in vorangegangenen Studien zur Anpassungsstrategie ein Rückbau bis auf maximal 50% überbauter Fläche exemplarisch in einem Blockrand gegenüber dem Schlachthofgelände vorgeschlagen wird, ist im Rahmenplan Klimaanpassung von 2015 – insbesondere innerhalb geschlossener Blockrandbebauung – Rückbau nicht mehr als Maßnahme aufgeführt. Ich frage mich, ob man insbesondere dort, wo Rückbau bzw. Entdichtung am notwendigsten wäre, vor den Schwierigkeiten resigniert hat?
Qualifizierte Bebauungspläne, mit differenzierten Vorschriften sind in den Alten Stadtteilen meist nicht vorhanden, weshalb Innenverdichtung weitesgehend ungeregelt ist und Bauanträge sich nur an zufällig vorhandener Bebauung innerhalb der Blockränder orientieren müssen, die oft bei Wohnungsmangel in der Nachkriegszeit entstanden sind. Planungsfehler bzw. -mangel werden dadurch leider zum Maßstab der Innenverdichtung. Klimatische Aspekte spielen für die Genehmigung von Bauvorhaben leider keine Rolle!
Mit solcher Innenverdichtung wird uns die Zukunft verbaut! Im Hochsommer wird es dort nur bei geschlossenem und beschattetem Fenster mit Klimaanlagen erträglich sein. Der Begüterte zieht aufs Dach oder in die stark begrünten Wohnbereiche, die ärmere Schicht darf schwitzen. Issant wäre die Sterbestatistik älterer Mitbürger im letzten Sommer!ragen an die Kandidaten:
Wollen wir solche Wohnverhältnisse, um den Wohnungsmangel zu beseitigen?
Wie kann die übermäßige Innenverdichtung innerhalb der Blockrandbebauung gestoppt werden und wären Sie bereit hierzu Gesetzesänderungen zu initiieren?
Was sind die Kriterien, an denen wir die noch vertretbare Verdichtung messen?

Stellplätze für PKWs oder 365€ Ticket für den öffentlichen Nahverkehr
Unsere alte Blockrandbebauung entstand zu einer Zeit, in der Autos noch nicht existierten oder eine Seltenheit waren. Stellplätze und Garagen waren damals folglich noch kein Thema. In diesen Wohnbereichen sind deshalb weitestgehend PKW Stellplätze nur auf den Straßen vorhanden. Diese wurden während der Oststadtsanierung vor ca. 15 Jahren optimiert. Illegale Stellplätze nach der Straßenverkehrsordnung wurden mit der neuen Regelung zum Gehwegparken reduziert. Diese Regeln hat der BVO grundsätzlich für sinnvoll befunden, weil dem Fußgänger wieder mehr angemessener Raum zugestanden werden muss.

Wer keinen Stellplatz mehr findet, ist auf kurz oder lang gezwungen, sich einen Stellplatz in Tiefgaragen etc. anzumieten. Meist fehlen hierzu entsprechende Möglichkeiten wegen fehlender Stellplätze oder mangelnder Transparenz ungenutzter Tiefgaragenplätze. Eine solche Transparenz bzw. Liste freier, anmietbarer Stellplätze hätte der Bürgerverein gerne veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert. Aus rechtlichen Gründen kann die Stadt aber keine Daten zur Verfügung stellen!
Beim Verhalten der Stadtverwaltung zu fehlenden Stellplätzen hat man den Eindruck, dass man seelenruhig abwartet, dass der Trend, ohne eigenes Auto zu leben, sich auswirkt.

Der Bürgerverein hat bei der Genehmigung des Bebauungsplans im Bereich der Straßenbahndepots Ecke Durlacher Allee und Tullastraße gefordert, einen Teil der Tiefgaragenplätze den Bewohnern der angrenzenden alten Wohnbebauung anzubieten. Anstatt entsprechende Tiefgaragenplätze zu festzuschreiben, hat man die ohnehin erforderlichen Stellplätze auf ca. 50 % gesetzeskonform heruntergerechnet, da der öffentliche Nahverkehr für die Beschäftigten der künftigen Bürogebäude leicht zu erreichen sei! Finanzamt, EnBW etc. hat man wohl ebenfalls die erforderlichen Stellplätze heruntergerechnet. Die PKWs der Pendler belegen teilweise die dringend benötigten Stellplätze der Anwohner. Die Gerwigstraße ist keine Wohnstraße mehr, sondern ein riesiger Parkplatz!
Fragen an die Kandidaten:
Welche Möglichkeiten sehen Sie, Baulichkeiten mit Stellplätzen zu realisieren?
Welche Möglichkeit sehen Sie Leerstände in Tiefgaragen externen Anwohnern anzubieten und bekannt zu machen?
Halten Sie ein Straßenbahnticket für 365€ für Anwohner und Pendler für realisierbar, um den ohne-Auto-Trend zu befördern oder Pendler zum ÖPNV zu bringen?

Wohnungen statt Büros
Wo man hinschaut werden in der Oststadt Bürogebäude hochgezogen. Wohngebäude kann man dagegen an wenigen Fingern abzählen. In einem kürzlichem Leserbrief in der BNN wurde mit recht gefragt, wo denn die vielen Angestellten leben sollen. Ein zunehmendes umweltschädliches Pendlertum mit dem zuvor diskutierten Stellplatzmangel ist die Folge! Die Haid-und-Neu-Straße ist zur IT-Schmiede geworden. Der dafür vorgesehene Technologiepark östlich des Haupfriedhofes ist dagegen nach Jahrzehnten bei weitem noch nicht voll.
Der Bürgerverein hat bei der Genehmigung des Bebauungsplans im Bereich der Straßen-bahndepots gefordert, nicht nur Bürogebäude zu realisieren, die im übrigen unsere Verkehrsbetriebe nur zum kleinen Teil selbst nutzen werden, sondern auch einen Anteil Wohnungen im Baukomplex unterzubringen. Wir hatten gehofft, dass die Stadt auf ihre Tochter VBK dahingehend Einfluß ausübt. Es wurde mit der Begründung abgelehnt, dort gäbe es für Wohngebäude eine zu große Immisionsbelastung. In der verkehrlich mindestens so stark belasteten Haid-und-Neu-Straße dagegen genehmigt man auf dem Hoepfnergelände Gebäude für Pflegeheim, betreutes Wohnen und Kindertagestätte.
Die für Wohngebäude wenig belasteten Innenbereiche werden dagegen mit Finanzamt, BGV etc. bebaut. Nicht die sinnvolle Lage, sondern der zufällige Grundbesitz ist entscheidend dafür, was wo gebaut wird.
Unsere Wohngenossenschaften, die ein idealer Mietpreisdrücker sind, von denen die Oststadt aus historischen Gründen gut bestückt ist, hätten gerne Baugrund und kommen an diesen nicht ran. Hier kann ich nicht erkennen, dass die Stadtverwaltung gegensteuert. Die Dominanz der Wirtschaftsförderung ist scheinbar zu groß!

Fragen an die Kandidaten:
Welche Möglichkeiten sehen Sie, in der Oststadt mehr Wohnraum zu schaffen?
Sollte man den Bau von Bürogebäuden dagegen nicht beschränken?
Sollte man Baugenossenschaften nicht bezüglich günstigem oder gefördertem Baugrund bevorzugen?

BV-Oststadt