Dieser Bericht erscheint auch im Oststadtbürger Heft 6 /2020.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger der Oststadt,
eigentlich haben wir gehofft, dass sich wieder normalere Verhältnisse einstellen und die Arbeit des Bürgervereins wie gewohnt weitergeführt werden kann. Stattdessen verschärft sich die Coronalage wieder und wir haben einen neuen Lockdown und öffentliche Veranstaltungen sind uns weiterhin nicht möglich. Auch unsere Vorstandsitzungen werden vorerst online im Internet durchgeführt werden müssen! Die Stadt sagte regelmäßige Kooperationsgespräche mit den Bürgervereinen ab und verweist auf den stattdessen geplanten schriftlichen Meinungs- und Informationsaustausch.
Bürgermeisterwahlkampf
Im Bürgermeisterwahlkampf wollten wir eine Veranstaltung mit Befragung der Kandidaten durchführen. Die Zusage eines Veranstaltungsraumes hatte sich aber derart verzögert, dass die Veranstaltung coronabedingt nicht mehr umsetzbar war. Eigentlich hätte man die Wahl, wegen mangelhafter Werbemöglichkeiten der Kandidaten, verschieben sollen. Zwei Kandidatinnen, Frau Vanessa Schulz von Die Partei und Frau Petra Lorenz von den Freien Wählern/Für Karlsruhe, haben darum gebeten, sich dem Bürgerverein vorstellen zu können. Frau Schulz konnte dies noch bei einer realen Vorstandsitzung wortgewandt und ideenreich tun, die Vorstellung von Frau Lorenz konnte dagegen nur noch bei einem Onlinemeeting des Vorstandes stattfinden. Als selbstständige Geschäftsfrau und Stadträtin antwortete Sie erfahren und kritisch auf unsere Fragen. Wir wünschen beiden trotz dem Lockdown einen effektiven Wahlkampf.
Fahrradfahrer auf Gehwegen
Auf Kosten von Fahrspuren und Stellplätzen für Kraftfahrzeuge wurde in vielen Straßen, auch mit Unterstützung des Bürgervereins, neue oder sicherere Fahrradwege geschaffen. Trotzdem nutzen oft noch Fahrradfahrer die Gehwege, anstatt auf kürzestem Weg den nächsten Fahrradweg anzusteuern. Dies regt einige Oststadtbürger derart auf, dass sie diese Vorkommnisse bei ihren täglichen Fußwegen notiert und aufgelistet haben. Es kam so eine beträchtliche Zahl von Verkehrsverstößen zusammen. Dies bestätigt uns in der bei der Bürgerbeteiligung vorgetragenen Forderung, den künftigen Bernhardusplatz in dessen Kernbereich von Fahrradverkehr freizuhalten und mittels konsequenten Fahrradwegführung zu umfahren.
Selbstkritisch erinnere ich mich an mein eigenes Verhalten als Fahrradfahrer in jüngeren Jahren. Ich war damals nicht besser, aber damals gab es auch keine oder nur wenige Fahrradwege. Ich halte es deshalb für dringend geboten, dass die Fahrradfahrgemeinde nicht nur mittels Fahrraddemos für weitere Fahrradwege, sondern auch innerhalb der Fahrradgemeinde für korrektes Verhalten wirbt, damit nicht die schwächsten Verkehrsteilnehmer, die Fußgänger, die Leidtragenden sind.
Kleingartenentwicklungsplan (KEP)
Im letzten Heft wurde von Helmut Rempp, unserem Vorsitzenden des Arbeitskreises der Bürgervereine, über das „Gärtnern in der Stadt“ berichtet. Ich will heute auf die Verhältnisse in der Oststadt und auf den speziellen Aspekt der Gartenparzellen der Wohnbaugenossenschaften eingehen.
Nach Umfragen und Berechnungen hat die Oststadt, neben Innenstadt Ost, Südstadt und Waldstadt, laut KEP einen sehr großen Bedarf an Kleingärten von ca. 7% der vorhandenen Gartenparzellen. Dieser hat sich insbesondere in der Coronazeit noch verstärkt. Im ersten Moment erstaunt dieser Bedarf, wenn man die großen Kleingartenanlagen an der Hagsfelder- und Durlacher Allee mit insgesamt 987 Gartenparzellen bewusst macht. Die Oststadt ist aber ein Stadtteil, der direkt vor den Toren der Kernstadt, teilweise auf den aufgegebenen Küchengärten des großherzoglichen Schlosses, entstanden ist. Die Gebäude wurden relativ dicht und drei bis vierstöckig ohne Nutz- bzw. Hausgärten in den Innenhöfen der Blöcke gebaut. Nutzgärten wurden erst am Rande der Siedlungsflächen angelegt. Mit der Erweiterung der Siedlungsflächen nach Osten rückten auch die Gärten weiter an den Siedlungsrand. Dieser Prozess führte dazu, dass die Gartennutzer immer weitere Wege von ihren Wohnungen bis zu den Gärten zurücklegen müssen. In den für Jahrzehnte vorausschauenden Flächennutzungsplänen ist weiterhin vorgesehen, Kleingartenanlagen durch Siedlungs- und Gewerbeflächen zu ersetzen. So sollen in der Oststadt die westlich des Hauptfriedhofes liegende Kleingartenanlage „Fasanengarten“ in der Zukunft der Universitätserweiterung und die direkt südlich der Durlacher Allee liegende Kleingartenanlage „Durlacher Allee“ alsbald Bürokomplexen geopfert werden.
In Zeiten der Klimaerwärmung wäre es grundsätzlich wichtig, die Kleingartenanlagen in ihrer Lage zu belassen und die neuen, zwingend erforderlichen Siedlungs- und Gewerbeflächen um diese herum zu entwickeln. Dann könnten die Kleingartenanlagen als kühle und somit kühlende Inseln ihre positive Wirkung auf die angrenzende Wohnbebauung entfalten.
Der große Kleingartenbedarf in der Oststadt ist bedingt durch die dichte mehrstöckige Bebauung ohne integrierte oder angrenzende Hausgärten und der Entfernung der am Rande liegenden Gartenanlagen, die erst mit deutlich mehr als 10 Minuten dauernden Fußwegen erreicht werden können. Letzteres wurde als wichtiges Kriterium erarbeitet, nicht zuletzt um unnötigen motorisierten Individualverkehr zu vermeiden.
Der Wegfall der oben genannten Kleingartenanlagen wird den Kleingartenbedarf noch verstärken. Reserveflächen für neue Gartenanlagen sind in näherer Umgebung der Oststadt weder vorhanden noch ausgewiesen.
Reaktivierung von Hausgärten der Wohnbaugenossenschaften?
Eine Besonderheit des „Gärtnern in der Stadt“ sind insbesondere in der Oststadt die alten Blöcke der Wohnbaugenossenschaften, die man in deren Innern mit kleineren Gartenparzellen von kleiner 50-100 m² versehen hat. Sie sind den angrenzenden Wohnungen direkt zugeordnet. Als sogenannte Hausgärten sind sie im KEP nicht berücksichtigt. Sie wurden insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg zur Selbstversorgung der dort wohnenden Genossenschaftler mit Obst und Gemüse geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte der Wohnungsbedarf, weshalb die Genossenschaften neben ihren neuen Mehrfamilienhäusern keine Hausgärten mehr anlegten. Auch wurde ein Teil der vorhandenen Hausgärten mit der Zeit zur Grünfläche umgewandelt.
Angesichts des großen Bedarfs an Kleingartenanlagen und dem Wunsch der Bürger auch nach gemeinsamen Gärtnern (Urban Gardening, wie es hinter der Musikhochschule praktiziert wird und von 60% der Befragten mit Gartenwünschen bevorzugt wird), stellt sich die Frage, ob die Genossenschaften zumindest einen Teil der in Grünflächen umgewandelte Hausgärten nicht wieder reaktivieren sollten. Ein Teil könnte alternativ auch als Flächen für gemeinsames Gärtnern der Genossenschaftler in der Art des „Urban Gardening“ hergerichtet werden.
Wichtige Funktion der Wohnbaugenossenschaften
Anders als das klassische Mietverhältnis hat das Wohnen in der Genossenschaft als Genosse folgende wichtige Vorteile: Mit seinen finanziellen Anteilen ist er Miteigentümer und kann, wenn er nicht der Satzung gröblich zuwiderhandelt, nicht gekündigt werden. Da keine Renditeinteressen zugrunde liegen, ist die Miete, die eigentlich ein Nutzungsentgelt an die Gemeinschaft ist, relativ niedrig und führt somit zu einer Dämpfung der allgemeinen Mietsteigerung. Die Genossenschaften sind demokratisch organisiert, weshalb der Genosse direkt oder über gewählte Vertreter mitentscheidet, wie und was baulich geschieht.
Ob Grünflächen in Gartenparzellen zurückverwandelt werden und wer diese nutzen darf (nur die angrenzende Hausgemeinschaft oder der gesamte Wohnblock, kann deshalb nicht verordnet, sondern muss in einem demokratischen Prozess ausgehandelt werden. Meine Anregung zur Reaktivierung der Hausgärten zur Befriedigung eines Teils der Bedürfnisse zum „Gärtnern in der Stadt“ möge deshalb als Anregung innerhalb der Genossenschaften dienen.
Da der Bürgerverein dieses Jahr coronabedingt keine Weihnachtsfeier durchführen kann,
wünsche ich Ihnen im Namen des Vorstandes bereits jetzt ein frohes Weihnachtsfest und einen gesunden Rutsch ins neue Jahr!
Ihr Jürgen Scherle
1. Vorsitzender des Bürgervereins Oststadt